Bei einer Fachkonferenz "Auf dem Weg in die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe" haben am 26. Oktober 2023 auf meine Einladung hin etwa 120 Fachleute und Betroffene darüber diskutiert, wie wir in Zukunft Leistungen aus einer Hand anbieten können und wo im Reformprozess noch Stolpersteine liegen.
Familien, in denen Kinder mit Behinderungen aufwachsen, müssen viele Belastungen stemmen und geraten daneben auch noch häufig in die Mühlen der Bürokratie. Je nach Art der Behinderung sind in Bayern entweder die Bezirke (für Eingliederungshilfe bei körperlicher oder geistiger Behinderung) oder die Jugendämter (bei seelischer Behinderung) zuständig. Damit soll ab 2028 Schluss sein. Dann soll es Hilfen aus einer Hand geben.
Wie die Rechtsgrundlagen und die Strukturen dafür genau aussehen soll, wird gerade in einem großen Beteiligungsprozess geklärt, der im Dezember endet. Dessen Ergebnisse, aber auch die vielen noch offenen Fragen und die ersten Schritte hin zu einer inklusiven Jugendhilfe bei uns in Bayern wollte ich diskutieren und habe zu einer Fachkonferenz nach Augsburg eingeladen. Unter dem Titel „Auf dem Weg in die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe“ haben wir mit über 120 Teilnehmenden aus Jugendämtern, aus der Eingliederungshilfe, von Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern, aus der Wissenschaft und mit Selbstvertretungen diskutiert.
Hubert Lautenbach, Grundsatzreferent Kinder- und Jugendhilfe beim AWO Bundesverband, begleitet den Beteiligungsprozess für die Freie Wohlfahrtspflege und hat einen Überblick über die bisherigen Diskussionspunkte gegeben: Was wir wissen und was nicht (PDF, 665 kB). Ein wichtiger offener Punkt, der auch in der anschließenden Diskussion aufgegriffen wurde, ist zum Beispiel die Altersgrenze für den Übergang von der Kinder- und Jugendhilfe ins Erwachsenensystem.
Die Jugendhilfe ist von den Krisen der letzten Jahre geschwächt: die Pandemie, die Bedarfe vieler geflüchteter Kinder aus der Ukraine und der Fachkräftemangel haben ihr zugesetzt. Trotzdem gibt es aber auch verbreitet den Wunsch, die Hilfen aus einer Hand jetzt voranzutreiben, inklusive Angebote auszuprobieren und sich besser zu vernetzen. Bayern beteiligt sich bislang aktiv mit gut aufgestellten Modellprojekten, zum Beispiel zu Verfahrenslotsen, die Eltern zu den passenden Hilfen und Behörden zur Kooperation lotsen sollen. Auch zu den in einem ersten Reformschritt beschlossenen Ombudsstellen gibt es Modellprojekte, mit denen sehr verschiedene Ausgestaltungen erprobt werden. Dr. Harald Britze, stellvertretender Leiter des bayerischen Landesjugendamts, hat einen Überblick gegeben, wie sich Bayern auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet: Ein inklusives Jugendamt entsteht (PDF, 671 kB)
Der Weg in die inklusive Jugendhilfe wird auch von Seiten des Familienministeriums mit verschiedenen Projekten begleitet. So haben die konfessionellen Erziehungsverbände BVkE und EREV den Auftrag bekommen, gemeinsam mit der Praxis ein Curriculum zur Aus- und Weiterbildung von Verfahrenslotsen zu entwickeln. Judith Owsianowski, Referentin beim EREV, hat das Projekt vorgestellt: Wegweiser Verfahrenslotsen (PDF, 1,34 MB). Das fertige Curriculum wird auf der Schlussveranstaltung des Projekts am 13.12.2023 in Frankfurt vorgestellt. Dann soll auch ein ausführliches Modulhandbuch veröffentlicht werden.
Einen Blick in die Praxis gab schließlich Kati Huber, Verfahrenslotsin beim Landratsamt Günzburg, die anschaulich die Schwierigkeiten, aber auch die Unterstützungsmöglichkeiten beim Aufbau einer solchen Stelle schilderte: Verfahrenslotsen in der Praxis (PDF, 1,02 MB).
Abschließend lenkten Thomas Bärthlein und Eckart Reinl-Mehl, Vorstände des Vereins für eine unabhängige Ombudsstelle in der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern e.V., noch einmal den Blick auf die Betroffenen: Mit einer Fallschilderung aus der Beratungspraxis wurde sehr deutlich, wie bei unklaren Verantwortlichkeiten sehr schnell Verschiebebahnhöfe entstehen, unter denen vor allem (Pflege-)Eltern von Kindern mit Behinderungen leiden, die die ihnen zustehenden Leistungen nicht zeitnah erhalten. Darum setze ich mich dafür ein, dass Bayern den Weg zu Leistungen aus einer Hand weiter mitgeht und unterstützt.
Nicht zuletzt die jungen Menschen in der Jugendhilfe selbst verlangen mit Nachdruck und zu Recht, gehört und einbezogen zu werden. Ich danke deshalb besonders Lukas Dreesbach und Zoe Urban vom Careleaver e.V. für ihren Diskussionsbeitrag.
Vielen Dank an alle Gäste, die mit ihrem Interesse, ihrem Engagement und ihren Diskussionsbeiträgen möglich machen, dass eine solche Konferenz zu einem lebendigen und guten Austausch wird!