Keine halben Sachen machen!

04. Dezember 2018

Für junge Erwachsene, die in Heimen und Pflegefamilien aufgewachsen sind, beginnt mit dem 18. Geburtstag oft ein Kampf um weitere Unterstützung, auch wenn sie noch keinen Schulabschluss und keine Ausbildung haben. Mit diesen Care Leavern beschäftigte sich am 29. November 2018 eine Fachkonferenz, zu der der Bundesverband katholischer Dienste und Einrichtungen der Erziehungshilfe (BVkE) geladen hatte.

18 sticht! Faire Teilhabechancen für alle jungen Menschen: Unter diesem Titel diskutierten Praxis, Wissenschaft, Politik und Verbände in Berlin. Gemeinsam mit Trägern und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe will der BVkE Angebote zu entwickeln, die zu einer guten Übergangsbegleitung beitragen können. Wie kann man junge Erwachsene einbinden und beim Einstieg in ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben unterstützen? Wie können Kirche, Gesellschaft und Politik gemeinsam mit den Betroffenen eine gleichberechtigte Teilhabe aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre verwirklichen?

Thomas Köck, Vorstand BVkE, eröffnete die Tagung und beklagte die völlige zersplitterte Gewährungspraxis bei der Ausgestaltung des § 41 Junge Volljährige im SGB VIII. Er mahnte an, dass die Caritas hier in einer Verantwortungsgemeinschaft steht, um die Übergänge in Ausbildung und Beruf sicher zu gewährleisten. Die Expert_innen der Fachtagung Prof. Karin Böllert, Prof. Wolfgang Schröer und Prof. Michael Macsenare resümierten, dass - nach dem Vorbild der Familie - auch in der öffentlichen und freien Jugendhilfe eine Kultur des Wiedersehens bei den betroffenen jungen Menschen im Vordergrund stehen soll, nicht die bisher vorherrschende Kultur der Beendigung. Denn auch in Familien bauen viele junge Erwachsene bis weit ins 3. Lebensjahrzehnt auf die Unterstützung und Solidarität ihrer Familien.

Als Vertreter_innen der Politik diskutierte Ulrike Bahr mit den Bundestagsabgeordneten Katja Dörner (Bündnis 90/ Grüne) und Martin Patzelt (CDU) kontrovers, wie die Hilfen für junge Volljährige auszugestalten sind. Ulrike Bahr wies darauf hin, dass mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz von 2017, das im Bundesrat nie verabschiedet wurde, bereits wichtige Verbesserungen für die Care Leaver beschlossen waren. Dazu gehört auch eine geringere Anrechnung von Ausbildungsvergütungen oder Einkommen aus Ferienjobs auf die Kostenbeteiligung, wenn Jugendliche und junge Erwachsene in Einrichtungen der Jugendhilfe wohnen. Katja Dörner forderte bei der Reform des SGB VIII einen subjektiven Rechtsanspruch auf § 41 SGB VIII bis 23 Jahre, ein Rückkehrrecht und ein Erstantragsrecht, um die Teilhabechancen von jungen Menschen zu verbessern - sinnvolle Forderungen, die allerdings finanziert werden müssen. Martin Patzelt mahnt an, wissenschaftliche Untersuchungen als Argumentationsgrundlagen heranzuziehen, um die langfristige Wirkungen der Hilfen abzubilden. Bei den Verhandlungen mit Kämmerern und Haushältern müsse der volkswirtschaftliche Nutzen jeder Hilfe transparent dargestellt werden.

Am Ende waren sich alle Teilnehmer_innen einig: Die Zeit ist reif für einen Rechtstatbestand „Care Leaving“ im SGB VIII, damit Übergänge vom Jugendalter in das Erwachsenenalter gelingen. Die Jugendhilfe soll Übergänge koordinieren und Teilhabeprozesse steuern, nicht die Akte mit 18 Jahren schließen.