Die Abstimmung vom 29.11.2018 über die tierschutzrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Kastration von Ferkeln beschäftigt viele Menschen, so dass ich noch einmal darlegen will, warum ich dieser Fassung des Gesetzes zustimme. Eine gleichlautende Erklärung habe ich beim Bundestag zu Protokoll gegeben.
Zu Recht wird die Verweigerungshaltung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Schmidt sowie weiter Teile der Funktionäre der Verbandsvertreter und großer Teile der CDU/CSU in den vergangenen Jahren kritisiert, die fünfjährige Übergangsfrist für die Entwicklung wirklicher Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu nutzen. Stattdessen haben sie auf einen sogenannten vierten Weg gesetzt, der die Veränderung des Schmerzbegriffs im Tierschutzgesetz voraussetzen würde. Diese Änderung hat die SPD-Bundestagsfraktion verhindert.
Leider existiert in der EU kein einheitliches Tierschutzrecht. Aufgrund der unter 1) beschriebenen Defizite, stehen aktuell in Deutschland die Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration nicht flächendeckend zur Verfügung. Würde es jetzt nicht zu einer Fristverlängerung kommen, wäre zu befürchten, dass es in Deutschland zu massiven Strukturbrüchen bei den deutschen Sauenhalterinnen und Sauenhaltern käme, mit der Folge, dass Ferkel aus Ost- und Nordeuropa im-portiert werden würden, die gerade nicht nach deutschen Tierschutzstandards kastriert wurden und noch dazu weite Transportwege zurücklegen müssten. Vor diesem Hintergrund haben sich nahezu alle Sachverständigen in der Anhörung des Landwirtschaftsausschusses am 26. Novem-ber 2018 für die Fristverlängerung ausgesprochen. Der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige Dr. Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) schreibt in seiner Stellungnahme: „Aus all diesen Gründen hält der bpt eine Verschiebung des Termins schon seit längerem für unabdingbar.“
Eine bloße Fristverlängerung war für die SPD-Bundestagsfraktion jedoch keinesfalls ausreichend. Anders als es CDU/CSU und FDP im Jahr 2012 getan haben, haben wir nun im Gesetz Sicherungen eingebaut, die garantieren, dass nach zwei Jahren nun wirklich die Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird verpflichtet, die bisherige Verweigerungshaltung aufzugeben und unter anderem im Rahmen einer Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Alternativmethoden flächendeckend zu schaffen – so zum Beispiel durch die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen, durch die Unterstützung der Betriebe bei der Anschaffung von notwendigen Narkosegeräten und durch entsprechende Aufklärungskampagnen. Die SPD-Bundestagsfraktion geht davon aus, dass so die Methode, die Neuland mit seinen besonders tiergerechten und umweltschonenden Haltungsformen schon seit Jahren praktiziert, Standard werden kann und somit auch eine europäische Ausstrahlungskraft entfalten kann. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eine Organisation, die vor allem kleinere bäuerliche Betriebe vertritt und die jedes Jahr in Berlin mit vielen anderen Organisationen zu einem Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft unter dem Motto „Wir haben es satt“ aufruft, begrüßt ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesinhalt: „Jetzt gilt es, die für Betriebe möglichen Alternativen rechtlich so schnell wie möglich ab-zusichern, die entsprechenden Arzneimittel und Narkosegeräte in der Fläche verfügbar zu machen und die Praktikerinnen und Praktiker im tier- und sachgerechten Umgang zu schulen … Der Gesetzentwurf, den die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD heute beschließen wollen, legt nun fest, dass das Bundesministerium BMEL endlich zu handeln hat. Das ist ein riesiger Fortschritt.“ Wer die AbL kennt, weiß, dass sie diese Würdigung nicht leichtfertig abgibt.
Die Diskussion um die Versäumnisse des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit der Ferkelkastration haben wir zudem dazu genutzt, generell einen Paradigmenwechsel in der Nutztierhaltung einzufordern und klare Verabredungen unter den Koalitionsfraktionen zu treffen. So fordern wir in einem am gleichen Tag verabschiedeten Entschließungsantrag unter anderem das BMEL darüber hinaus dazu auf, bis Mitte der Legislatur die Nutztierstrategie weiterzuentwickeln und dabei Lösungen für nicht-kurative Eingriffe, wie das Kürzen von Ringelschwänzen und das Enthornen von Rindern, vorzulegen und das Töten von Eintagsküken so schnell wie möglich zu beenden.
Ende 2019 gilt dann die Revisionsklausel, die die Umsetzung der Vorhaben dieser Koalition insgesamt beurteilen soll. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Jede und Jeder beurteilen können und müssen, ob den Forderungen des Entschließungsantrags Rechnung getragen worden ist.