Die SPD ist eine lebendige Partei, in der ernsthaft und fair diskutiert wird. Zum dritten Mal nach dem Ende der Jamaika-Verhandlungen im November hatte Ulrike Bahr zu einer öffentlichen Diskussion über die aktuelle Situation der Regierungsbildung und der SPD eingeladen. Sowohl Befürworter des Koalitionsvertrages wie auch Gegner kamen zu Wort.
Bahr stellte zunächst beispielhaft Themen aus dem Koalitionsvertrag vor – Arbeit, Rente, Familie und Pflege. Dabei benannte sie sowohl die aus Sicht der SPD erfolgreichen Punkte wie auch die Kritik, wie sie etwa von der „Demokratischen Linken in der SPD“ geäußert wurde. Der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Augsburg, Eckard Rasehorn, erläuterte die Aussagen zur Pflege. „Gute Ansätze für die Pflege in den Krankenhäusern, kaum Verbesserungen für die Pflegeheime“, lautete sein Fazit zu den Eckpunkten im Koalitionsvertrag.
In der sich anschließenden Diskussion waren sich die meisten einig, dass viele Punkte im Koalitionsvertrag Absichtserklärungen seien. Manches sei mit „wir werden“ formuliert, vieles aber mit „wir wollen“. Ein SPD-Mitglied sagte: „Ich bleib bei meinem Nein zu diesem Vertrag, oberflächlich klingt vieles gut, aber in der Tiefe ist doch manches eine Mogelpackung!“. Ein anderer sagte: „Wenn ich den Vertrag durchlese, kommt mir das meiste vor wie bei Karl Valentin: Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut!“
Ein anderer Diskussionsteilnehmer sagte, sowohl die Entscheidung für den Vertrag wie auch die dagegen mache ihm Bauchschmerzen. Dennoch habe er für den Koalitionsvertrag gestimmt, weil die SPD das Maximale herausgehandelt habe. „100 Prozent SPD können wir nur erreichen, wenn wir bei den Wahlen über 50 Prozent kommen! Und wir müssen hartnäckig an unseren Themen dran bleiben, auch wenn wir mit in der Regierung sind!“
Ein Gegner der GroKo verglich die Situation der SPD mit einem Patienten mit einem Krebsgeschwür. „Da helfen jetzt keine homöopathischen Mittelchen oder Streicheleinheiten, da muss jetzt die Chemotherapie ran – wir müssen in die Opposition und können uns nur da wieder zur alten Stärke entwickeln“.
Ulrike Bahr zog ein Fazit. „Egal, ob wir jetzt in die Regierung eintreten oder in die Opposition gehen, wir müssen als SPD unser Profil schärfen und alle müssen von unten Druck nach oben aufbauen, damit die Erneuerung auf jeden Fall passiert“.