Warum ich heute für die Ehe für Alle gestimmt habe

30. Juni 2017

Ich habe heute im Deutschen Bundestag für die Ehe für Alle gestimmt. Denn ich möchte, dass jeder Mensch, gleich welchen Geschlechts, gleich welcher sexuellen Identität das gleiche Glück, gleiche Geborgenheit, Fürsorge und Liebe in einer auf Dauer angelegten Bindung finden kann. Viele Menschen wünschen sich dazu die Ehe als zivilrechtlichen Rahmen und öffentliches Bekenntnis.

Das soll niemandem verweigert werden. Dies empfindet nach Umfragen auch die große Mehrheit der Deutschen als gerecht, richtig und gut. Die Öffnung der Ehe wird ohne Zweifel eine integrierende Wirkung haben und noch bestehende Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren abbauen.

Die Ehe für alle wird damit unmittelbar den im Koalitionsvertrag festgelegten „Abbau von Diskriminierung“ praktisch umsetzen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Entscheidung für Ehe und Familie eine im Grunde zutiefst wertorientierte Entscheidung ist, die der Staat aufgrund der gegenseitigen Übernahme von Verantwortung stützen und nicht verhindern sollte. Gleiche Pflichten verdienen auch gleiche Rechte! Dass dies – auch ohne Grundgesetzänderung – möglich und geboten ist, hat die Verfassungsrechtlerin Frau Dr. Friederike Wapler in einem Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung dargelegt. (Link: http://library.fes.de/pdf-files/dialog/11459.pdf)

Die Ehe für Alle ist dabei nicht urplötzlich auf die Tagesordnung der Politik oder des Parlaments gekommen. Allein in dieser Wahlperiode haben wir schon fünfmal im Parlament dazu debattiert. Seit 30 (!) Sitzungswochen, also länger als ein Jahr, vertagen wir in jeder Ausschusssitzung des Familienausschusses (und auch des federführenden Rechtsausschusses) die Entscheidung zu Anträgen und Gesetzentwürfen, weil sich die Union nicht positionieren und das Thema nicht im Ausschuss oder im Parlament besprechen wollte. Einfach aussitzen ist aber auch problematisch.

Die gesellschaftliche Realität zeigt: Familie bedeutet nicht immer Ehe. Mehr als ein Drittel aller Kinder wird außerhalb eine Ehe geboren. Gleichzeitig bedeutet Ehe nicht automatisch Familie. In Deutschland leben mehr als 17, 5 Mio. Ehepaare. Fast 9,8 Mio. haben keine Kinder. Nur 7,7 Mio. Ehepaare, also deutlich weniger als die Hälfte, haben minderjährige oder erwachsene Kinder. Niemand stellt aber die Ehe der kinderlosen Paare als Ehe in Frage. Das Lebenspartnerschaftsrecht gestattet es seit 2001 gleichgeschlechtlichen Partnern, mit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steuerlich und im Erbrecht Ehepartnern weitgehend gleichgestellt zu sein. Trotzdem empfinden das viele Homosexuelle als eine symbolische Diskriminierung. Denn hierzulande ist man verheiratet, nicht "verpartnert". Andererseits ziehen auch Homosexuelle Kinder groß, die darunter leiden, nicht in anerkannten Familien zu leben. Besonders lesbische Mütter berichten vielfach über Probleme und Diskriminierungserfahrungen. Zahlreiche internationale Studien belegen übrigens, dass Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso gut oder schlecht aufwachsen können wie in herkömmlichen Familien. Was den Kindern aber schadet, ist Ablehnung des sozialen Umfelds für die Lebensform ihrer Eltern. Mit der Ehe für Alle könnte da vielleicht mehr Normalität einkehren.

Unsere europäischen Nachbarn, mit denen wir ein ähnliches Wertesystem teilen, haben diese Frage zum großen Teil schon zugunsten der Ehe für Alle entschieden: Es gibt sie bereits in den Niederlanden, Belgien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und Finnland. Selbst in Staaten wie Spanien und Irland (außer Nordirland), in denen die katholische Kirche lange Zeit sehr starken Einfluss hatte, ist die Ehe für Alle durchgesetzt und damit nicht mehr an unterschiedliche Geschlechter der Eheleute gebunden.