Im Rollstuhl auf die Kuppel des Reichstags – Politische Bildungsreise für Behinderte

29. November 2016

„Jeder soll an allen Lebensbereichen teilhaben - auch an der politischen Bildung! Deswegen habe ich für meine aktuelle Berlinfahrt eine ganz besondere Besuchergruppe eingeladen“, berichtet die Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr. „Eine solidarische Bürgergesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Menschen mit Behinderungen Chancengleichheit ermöglicht. Was noch zu tun ist, damit Barrierefreiheit erreicht wird, darüber wollte ich mit Betroffenen ins Gespräch kommen. Denn auch Menschen mit Behinderungen soll Zugang zu bestmöglicher Bildung, existenzsichernder Arbeit und die volle Teilhabe am politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden“.

Seh- und Hörbehinderte, Gehbehinderte, Schwerstbehinderte, Menschen mit Downsyndrom und ihre Begleiter und Assistenten fuhren für vier Tage nach Berlin, wo sie unter anderem das Kanzleramt, das Willy-Brandt-Haus, eine Plenarsitzung und die Villa der Wannseekonferenz besuchten. Bei vielen Gesprächen, zum Beispiel mit der Bundesbehindertenbeauftragten Verena Bentele und mit der Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr im Reichstag und in geselliger Runde am Abend, ging es um die aktuelle Politik, die Bedürfnisse der Behinderten und das geplante Bundesteilhabegesetz. Die Stadtführerin des Bundespresseamtes Sabine Wiemert leitete die Gruppe und den Augsburger Bus souverän durch die Hauptstadt. Sie machte auf viele Details aufmerksam, etwa auf die vergoldeten Kanonenrohre an der Säule unter dem goldenen Friedensengel oder berichtete von dem Stolz der Berliner auf ihren höchsten Berg, den 66 Meter hohen Kreuzberg. An der Endmoräne aus der letzten Eiszeit wird seit den 60er Jahren sogar Wein angebaut! Als die schwäbische Besuchergruppe herzlich lachte über die Höhe des sogenannten Berges, sagte Wiemert: „Lachen Sie nicht! Wir Berliner machen eben aus alles immer das Beste!“

Untergebracht war die Gruppe in einem barrierefreien Hotel in Charlottenburg. Hin- und Rückfahrt und alle Fahrten in Berlin wurden souverän von Florian Dobos, dem überaus geduldigen, freundlichen und kompetenten Busfahrer der Augsburger Firma Ziegelmeier gefahren. Im Bundeskanzleramt mussten alle die gründliche Überprüfung an der Sicherheitsschleuse durchlaufen – auch die sieben Rollstuhlfahrer und die Rollstühle wurden auf Waffen oder versteckte Flüssigkeiten hin untersucht. „Ich wusste gar nicht, dass auch normale Bürger in das Kanzleramt reindürfen, was für eine tolle Erfahrung“, sagte Margit Heinrich, eine begleitende Assistentin. Manche der Behinderten waren durch die Sicherheitsüberprüfung auch ängstlich geworden. Im Kabinettsaal, wo mittwochs immer die Kanzlerin und die MinisterInnnen tagen, und an der Wand mit den Portraits der ehemaligen Kanzler überwog dann aber wieder die Begeisterung der Teilnehmer für dieses einmalige Erlebnis. In der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus, wurde ein Imagefilm der SPD gezeigt, dann erzählte Marcel Piest von den Aufgaben der Mitarbeiter im Willy-Brandt-Haus. Piest ist der Redenschreiber der Parteisekretärin Katarina Barley und berichtete unter anderem davon, dass seit der Wahl von Trump zum nächsten amerikanischen Präsidenten über 1100 Menschen online in die SPD eingetreten sind – „viermal so viel als in normalen Zeiten!“

Wolfgang Schneider, einer der Teilnehmer, dokumentierte die Fahrt mit seiner Kamera und zeigte sich begeistert, dass die Gruppe in der Plenarsitzung viele Politiker live erleben konnten. Während Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach, saßen neben der Bundeskanzlerin noch etliche Minister auf ihren Plätzen, so etwa Frank-Walter Steinmeier, Aydan Özoguz, Wolfgang Schäuble, Heiko Maas. Schneider hatte angeregt, der Bus müsse bei der Stadtrundfahrt am Brandenburger Tor halten, denn er könne zuhause nicht erzählen, er sei in Berlin gewesen, aber nicht durch das Brandenburger Tor gegangen. "Donnerwetter, was war das für eine schöne Reise", sagte er beim Abschied.

Auch alle anderen Teilnehmer waren begeistert. „Ich kann gar nicht sagen, was der Höhepunkt der Fahrt war“, sagte etwa Ursula Helm. „Alles, was wir erlebt haben, war besonders und einmalig“. Christine Mayer freute sich, dass die Bundestagsabgeordnete sich am Abend so viel Zeit für die Unterhaltung mit ihnen genommen hatte.

Bedauert hatten einige Teilnehmer, dass die Bundesbehindertenbeauftragte Verena Bentele nicht länger Zeit gehabt hatte. Sie war für etwa eine halbe Stunde ins Willy-Brandt-Haus gekommen, wo sie von ihrer Arbeit erzählte und mit der Besuchergruppe über das Bundesteilhabegesetz sprach.

Petra Lang, Betreuerin der Gruppe aus dem Fritz-Felsenstein-Haus sagte: „Das war ja eine richtig gute Werbung für die SPD, diese Fahrt!“ Eine Mitfahrerin war so begeistert, dass sie in den Fragebogen schrieb: „Ich würde den Busfahrer, die Berlin-Stadtführerin und die Reiseleiterin aus dem Augsburger Abgeordnetenbüro am liebsten sofort heiraten!“