Reform des Kinder- und Jugendhilferechts

22. April 2021

Mit Angeboten der Familienbildung, Kindertagesbetreuung oder der offenen Kinder- und Jugendarbeit erreicht die Kinder- und Jugendhilfe fast alle Familien, die in Deutschland leben.

Zentraler Auftrag ist es aber, Kinder und Jugendliche aus einem belastenden Lebensumfeld besser zu schützen und ihnen mehr Chancen auf Teilhabe zu geben. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das der Bundestag an diesem Donnerstag abschließend berät, bekommt das über 30 Jahre alte Gesetz ein wichtiges Update.

Die Reform wurde mit einem umfangreichen Beteiligungsprozess lange vorbereitet. Eingebunden waren Vertreter*innen der kommunalen, Landes- und Bundesebene, aus Fachverbänden und -organisationen, aus Wissenschaft und Forschung, von öffentlichen und freien Trägern, der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe und dem Gesundheitswesen.

Die Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr hat den Beteiligungsprozess intensiv begleitet und auch mit Fachkonferenzen in Augsburg in den vergangenen Jahren mitgestaltet. Sie resümiert: „Mit dem Gesetz werden die Weichen dafür gestellt, dass die Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder und Jugendlichen, nämlich auch diejenigen mit Behinderungen, zuständig wird (sog. Inklusive Lösung). Dafür gibt es einen Stufenplan. Das war überfällig, denn Schnittstellen zwischen den Systemen machen Familien heute das Leben schwer und behindern den Zugang zu passgenauen Hilfen. Regelangebote wie Kitas, Kindertagespflege oder auch die offenen Kinder- und Jugendarbeit sollen sich ab sofort inklusiv ausrichten.“ Im Kinderschutz wird die Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden, den Familiengerichten, der Jugendstrafjustiz und anderen wichtigen Akteuren verbessert. Ärztinnen und Ärzte erhalten mehr Rechtssicherheit durch klarere Vorgaben, wann sie in Kinderschutzfällen die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern suchen sollen. Mit dem Gesetz werden zudem die Rechte von Pflegeeltern und leiblichen Eltern eines Kindes neu austariert. Es wird klargestellt, dass ein Kind unter bestimmten Umständen auch dauerhaft in einer Pflegefamilie verbleiben kann. Alle jungen Menschen, die außerhalb ihrer Familien aufwachsen, erhalten Zugang zu Beschwerdestellen.

Ulrike Bahr freut sich auch über die überfällige Reform der Kostenheranziehung: „Am liebsten sähe ich, wenn Jugendliche, die in Pflegefamilien oder Einrichtungen der Erziehungshilfe leben, gar nicht zu den Kosten herangezogen werden. Das war aber im Zusammenspiel mit den Kommunen nicht durchsetzbar. Bislang müssen junge Menschen mit bis zu 75% ihres Einkommens zu den Kosten beitragen. Wenn sie selbst etwas verdienen, etwa in ihrer Ausbildung, wird die Kostenheranziehung jetzt auf höchstens 25 Prozent begrenzt. Zusätzlich haben wir Freibeträge eingeführt: 150 Euro aus regelmäßigen Einkünften sind frei, gelegentliche Ferienjobs und Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit werden gar nicht angerechnet. Auch aus Vermögen muss nichts abgeführt werden, z.B. wenn jungen Menschen eine Schenkung erhalten oder eine kleine Erbschaft machen. Das hilft sehr, später mit einem kleinen finanziellen Polster in ein selbstständiges Leben zu starten.“ Kinder und Jugendliche werden in ihren Rechten gestärkt: Sie erhalten einen uneingeschränkten Anspruch auf Beratung. Selbstvertretungsorganisationen können künftig in der Jugendhilfeplanung mitreden. Ombudsstellen werden gesetzlich verankert, um in Konflikten zu vermitteln und Machtasymmetrien zwischen der öffentlichen und freien Jugendhilfe auf der einen Seite, und den Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern auf der anderen Seite ein wenig auszugleichen.

Gestärkt werden auch Hilfen, die eine Trennung von Eltern und Kindern vermeiden helfen: Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen können künftig auch Partner mit aufnehmen und so Familien als Ganzes stabilisieren helfen. Eltern mit psychischen Beeinträchtigungen erhalten einen Anspruch auf niedrigschwellige und bedarfsgerechte Unterstützung in der Familie, wenn sie z.B. aufgrund einer depressiven Episode zeitweilig ihre Kinder nicht selbst versorgen können. Der Bundesrat muss dem Gesetz nach der Verabschiedung im Bundestag noch zustimmen. Die Lesung im Bundesrat ist für den 7. Mai 2021 geplant.

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