Während der Sommerferien nutzte Frau Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, die Gelegenheit das mediale „Sommerloch“ mit einem fragwürdigen Vorschlag zu füllen. Junge Menschen sollen sich in einem verpflichtenden Dienstjahr für das Allgemeinwohl einsetzen. Ein zunächst interessant klingender Vorschlag, der bei näherem Betrachten allerdings einen gewaltigen Denkfehler aufweist.
Schon heute gibt es mit dem „Bundesfreiwilligendienst“ (BFD), dem „Freiwilligen Sozialen Jahr“ (FSJ) sowie mit dem „Freiwilligen Ökologischem Jahr“ (FÖJ) viele Möglichkeiten für junge Menschen sich für das Gemeinwohl einzusetzen – freiwillig und ohne Druck von außen.
Während eines FSJ oder FÖJ können sich junge Menschen bis 27 beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe, der Wohlfahrtspflege, in Kultur- und Denkmalpflege, im Natur- und Umweltschutz sowie im Sport- oder Politikbereich engagieren.
Der Bundesfreiwilligendienst ermöglicht sogar – anders als das FSJ und FÖJ – Menschen über 27 Jahren eine freiwillige Tätigkeit wahrzunehmen – auch auf Teilzeitbasis und sogar in weiteren Bereichen, so wie dem Zivil- und Katastrophenschutz.
Zusätzlich gibt es für alle jungen Weltenbummler die „Internationalen Freiwilligendienste“, mit denen man sich im Ausland in verschiedenen Projekten engagieren kann.
Diese Programme werden alle vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Über ihre finanzielle Ausstattung darf ich als Mitglied des gleichnamigen Ausschusses des Bundestages mitberaten. 2018 stehen für die genannten Programme rund 300,9 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen noch Gelder aus anderen Ministerien, die ebenfalls das Engagement für Freiwillige unterstützen, z.B. über das weltwärts-Programm. Leider reichen diese Mittel schon heute nicht aus.
Der BFD hat seit seiner Einführung 2011 über 333.000 Menschen eine neue Perspektive auf sich selber und die Gesellschaft ermöglicht. Deutschlandweit stellen die "älteren" Freiwilligen (über 27) einen mit rund 28 % erfreulichen Anteil der Bundesfreiwilligendienstleistenden. 12 % der Freiwilligen sind sogar über 50 Jahre alt. Das Verhältnis von Männern zu Frauen beträgt 44% zu 56%.
Über 385.000 Teilnehmende unter 27 nahmen an einem FSJ oder an einem FÖJ im selben Zeitraum teil. Tendenz steigend. Leider ist es vielen Trägern bis heute nicht möglich allen Interessierten eine geeignete Einsatzstelle zu vermitteln, sodass es weiterhin viel mehr Bewerber gibt, als Plätze zur Verfügung stehen.
Genau hier müssen wir ansetzen: Die vorhandenen und gewachsenen Strukturen der Freiwilligendienste müssen weiter ausgebaut werden, damit alle, die einen Freiwilligendienst absolvieren möchten, auch eine Einsatzstelle bekommen. Anstatt Geld und Personal in neue Strukturen für einen Pflichtdienst zu investieren, sollten wir diese Ressourcen lieber in die bereits vorhandenen Strukturen der Träger des BDF, FSJ und FÖJ stecken. Das wäre effizient und spart der Gesellschaft auch noch Geld.
Insgesamt betrachtet sind die Freiwilligendienste eine Erfolgsstory, die es zu stützen gilt, anstatt Konkurrenz zu schaffen. Das FSJ gibt es bereits seit 1964. Die lange Erfahrung ist in Europa einzigartig, denn die meisten anderen Staaten erkannten das Potential der Freiwilligendienste erst Anfang der 1990er Jahre. 1993 wurde das FÖJ und mit Aussetzen der Wehrpflicht und des Zivildienstes 2011 der BFD ins Leben gerufen.
Eines haben alle Teilnehmenden an einem Freiwilligenjahr gemeinsam: Sie machen einen großen Sprung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und nutzen den Dienst als Orientierungs- oder Überbrückungsphase zwischen zwei Lebensabschnitten. Für ältere Freiwillige ist der BFD eine Möglichkeit, Erfahrungen weiterzugeben und an gesellschaftlichen Entwicklungen teilzunehmen. Die Einsatzstellen profitieren, weil sie nicht nur tatkräftige freiwillige Unterstützung erhalten, sondern die Helferinnen und Helfer gleichzeitig auch für soziale Berufe gewinnen können. Und nicht zuletzt profitieren alle, denen die Freiwilligenden helfen, weil sie ihr Leben mit ihrer Menschlichkeit bereichern.