Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Nach langen Gesprächen und reiflicher Überlegung werde ich dem Paket zustimmen, weil ich überzeugt bin, dass mit diesen Änderungen vieles besser und nichts grundlegend schlechter geregelt wird. Im Parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen:
Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst problematisch. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschieden, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen.
Besonders begrüße ich als Familienpolitikerin die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses. Für fast eine Million alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Damit können Alleinerziehende die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigen.
Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Mrd. Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten.
In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft ver.di problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang.
Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft ver.di sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen.
Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vor-liegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung Öffentlich-Private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehendere Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich.
Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu einhundert Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen.