„Wie viele Löffel Zucker möchtest du in den Tee?“ fragt der junge bärtige Mann mit den sanften Augen die Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr auf Deutsch mit arabischem Akzent. Die Verständigung ohne Dolmetscher klappt schon ganz gut beim gemeinsamen Teetrinken mit Flüchtlingen in einer Pension im Lechhauser Industriegebiet, die von der Stadt Augsburg angemietet wurde. Dort leben aktuell 25 Männer aus Syrien und Afghanistan sowie eine Familie aus Armenien. Ulrike Bahr hat sich dort und in einer weiteren Lechhauser Unterkunft mit den Flüchtlingen über ihre Sorgen und ihre Erfahrungen unterhalten.
Ein Team von deutschen Flüchtlingshelfern betreut die Menschen in der Unterkunft, es hilft bei Papierkram mit den Behörden, begleitet zu Ärzten, kocht manchmal deutsche und arabische Gerichte und „regelt halt alles, was so zu regeln ist“, berichtet der Flüchtlingshelfer Hans Blöchl. Er ist gleichzeitig einer der Sprecher des Helferkreises Lechhausen. Rund um den großen Tisch sitzen acht Syrer, darunter ein Arzt, ein Journalist, ein Englischlehrer, ein Apotheker und ein ehemaliger Wirtschaftsstudent. Der Englischlehrer arbeitet in Augsburg bei der Deutschen Schalung GmbH als Hilfsarbeiter, nicht nur des Geldes wegen, sondern auch um ein bisschen Ablenkung zu haben. Denn seit über einem Jahr hat er seine Familie, die Ehefrau und die beiden Kinder nicht mehr gesehen – die sind in der Türkei und warten darauf, im Rahmen des Familiennachzugs nach Augsburg kommen zu können. Weil der Familienvater aber noch keine Anerkennung als Flüchtling hat, wird er sich wohl noch viele Monate gedulden müssen. Seine Trauer steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Wo wohnen, was arbeiten und wann kommen Ehefrauen und Kinder nach Deutschland – das sind aktuell die Themen, die uns hier beschäftigen“, berichtet Hans Blöchl. Die meisten Flüchtlinge haben keine Papiere, die ihre Berufsabschlüsse aus Syrien dokumentieren. Daher werden sie hier nicht in ihren alten Berufen arbeiten können, selbst wenn sie eines Tages gut genug deutsch sprechen können. Bei der Wohnungssuche sei es schwierig, dass die Regelsätze des Jobcenters, wieviel eine Wohnung in Augsburg für Arbeitslosengeldempfänger kosten darf, nicht an die aktuell gestiegenen Preise angepasst würden, so Blöchl. Bei allen Schwierigkeiten mit denen er hier zu tun habe, sei es ihm wichtig, zu sagen, wie dankbar er und seine Freunde den Deutschen seien, sagte der syrische Arzt Ahmad Hamschari. „Deutschland ist eins der wenigen Länder, das uns Syrern hilft und uns eine Wohnung und Geld zum Leben gibt. Wir möchten uns dafür bedanken und erklären, dass wir sehr gerne arbeiten und Steuern zahlen wollen, um etwas zurückzugeben“, so Hamschari zu Ulrike Bahr. Die Treffen mit den Helfern, die längst zu Freunden geworden seien, seien „sehr sehr wertvoll“ für sie. Auch in der zweiten Unterkunft in Lechhausen unterhält sich Ulrike Bahr mit jungen Männern aus Syrien über ähnliche Themen. „Kann ich meine kranke Mutter aus Damaskus nach Augsburg holen?“, „Warum gibt es an den deutschen Universitäten nur begrenzt Studienplätze für Ausländer?“ waren zwei von vielen Fragen, die die Flüchtlinge der Bundestagsabgeordneten stellten. Ulrike Bahr ließ sich von der gefährlichen Flucht erzählen, und wieviel Geld die Männer aus Syrien Schleppern für ihre Flucht über das Meer bezahlt hatten – bis zu 7.000 Euro. Auch von der Langeweile im monatelangen Asylverfahren, von der Sehnsucht nach der Familie und dem Warten auf den sehnlichst gewünschten Integrationskurs war die Rede. „Man merkt, wieviel Unterstützung noch nötig wäre, um den Flüchtlingen noch schneller dazu zu verhelfen, Deutsch zu lernen. Eigentlich bräuchten sie täglich Kontakt mit Deutschen, auch wenn sie gerade keinen Deutschkurs machen“, so Bahr. Erst komme das Sprechen, erst dann könne die Integration richtig beginnen. Sie wolle sich dafür einsetzen, noch mehr für das ehrenamtliches Engagement zu werben und Kontakte zu Sportvereinen vermitteln. Noch am gleichen Abend wurde Ahmad, der seit vielen Monaten nicht mehr Schach gespielt hat, ein Kontakt zu einem Augsburger Schachverein vermittelt.
Fotos: Angelika Lonnemann