Kindeswohl und Geschlechtergerechtigkeit in Nachtrennungsfamilien

05. März 2015

Gestern befasste sich die Kinderkommission in einem Fachgespräch mit der Nürnberger Professorin Hildegund Sünderhauf mit Forderungen, das Sorge- und Umgangsrecht in Nachtrennungs-Familien zu reformieren. Mehr als 90% der Eltern behalten inzwischen auch nach einer Scheidung die gemeinsame rechtliche Sorge. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, kann aber alle Alltagsentscheidungen alleine treffen, der andere Elternteil hat nur einen Besucherstatus.

Dies hat auf Dauer nachteilige Folgen für den Bindungsaufbau zwischen Kindern und besuchenden Eltern. Hier setzt das Wechselmodell an, das Frau Professor Sünderhauf in einem anschaulichen Vortrag vorstellte. Im Wechselmodell teilen sich die Eltern auch nach der Scheidung die Erziehungsverantwortung. Kinder verbringen ihren Alltag abwechselnd bei Mutter und Vater, anstatt nur zu Besuch zu kommen. Die Bindung zu beiden Eltern bleibt erhalten, beide können die Kinder an ihren Ressourcen teilhaben lassen.

Auch für die Eltern kann die Betreuung im Wechselmodell sehr vorteilhaft sein: Gerade Frauen und Mütter werden nach einer partnerschaftlich gelebten Ehe nicht wieder automatisch in die alleinige Sorge zurückgedrängt, können eine berufliche Tätigkeit leichter ausüben und sind vor Überlastung besser geschützt. Väter erhalten die Chance, sich wirklich am Alltag ihrer Kinder zu beteiligen und eine enge Beziehung aufzubauen.

Außerdem können gerichtliche Auseinandersetzungen um das Sorgerecht entschäft werden, weil es mit dem Wechselmodell nicht einen Gewinner und einen Verlierer gibt. Frau Sünderhauf betonte allerdings auch, dass auch das Wechselmodell nicht alle Probleme für Nachtrennungsfamilien lösen kann und nur eine Option bleiben wird. Sie warb dafür, diese aber auch gesetzlich zu verankern mit einer Reform der §§ 1687 und 1671 im BGB und mit Anpassungen im Steuer-, Sozial-, Unterhalts- und Melderecht, beim Kindergeldbezug und bei den Erziehungszeiten für die Rente. In allen diesen Rechtskreisen ist eine geteilte tatsächliche Sorge mit zwei Hauptwohnsitzen des Kindes bislang nicht vorgesehen.

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