Der Koalitionsausschuss hat am 6. September beschlossen, dass der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation mit einer Reihe von Maßnahmen kurzfristig begegnet werden soll. Auf dem Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt am 24. September wurden diese von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung bestätigt und konkretisiert. U.a. wurden folgende Regelungen beschlossen:
Um Fluchtursachen in Herkunftsländern zu bekämpfen, werden die entsprechenden Mittel aufgestockt. Um die Länder und Kommunen zu entlasten, zahlt der Bund den Ländern ab 2016 eine Pauschale von monatlich 670 Euro pro Asylbewerber für die Dauer des Verfahrens und im Fall der Ablehnung einen Monat darüber hinaus und beteiligt sich an der Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen zusätzlich mit 350 Mio. Euro jährlich. Die Dauer von Asylverfahren soll auf durchschnittlich drei Monate verkürzt werden. Um der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken und bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen in Deutschland zu schaffen, werden u.a. 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Für ein Sonderprogramm des Bundesfreiwilligendienstes in der Flüchtlingsarbeit werden 10.000 neue Stellen geschaffen. Zudem wurde unter der Federführung des BMI das nun vorliegende Asylpaket bestehend aus einem Artikelgesetz (Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz) und einer Mantelverordnung erarbeitet und am vergangenen Donnerstag im Deutschen Bundestag verabschiedet. Insbesondere sind folgende Regelungen enthalten:
Sichere Herkunftsstaaten
Albanien, Kosovo und Montenegro werden zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Dieser in unserer Fraktion umstrittene Beschluss konnte in unserem Sinne ergänzt werden: Erstens wird sich der Bund weiter dafür einsetzen, die wirtschaftliche und soziale Lage in den Herkunftsstaaten für Minderheiten zu verbessern. Zweitens wird der Bund verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über die Lage in den betreffenden Staaten vorzulegen.
Beschleunigung des Asylverfahrens
Zur Beschleunigung des Asylverfahrens können Asylbewerber verpflichtet werden, bis zu sechs statt bisher drei Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Für Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten soll dies bis Ende des Verfahrens gelten. Wichtig war uns dabei, dass die Länder hier weiterhin Spielraum haben, ob sie diesen Zeitraum nutzen. Zur Erleichterung der Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten darf künftig nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden.
Verfahrensfähigkeit
Die Fähigkeit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach dem Asylgesetz wird von 16 auf 18 Jahre angehoben. Damit setzen wir endlich um, was die Kinderrechtskonvention fordert – Minderjährige im Verfahren als minderjährig zu behandeln und ihnen einen Vertreter für das Asylverfahren zur Seite zu stellen.
Vorverlagerung und Verbesserung der Sprachförderung
Arbeit ist der Schüssel für Integration. Dauerhafte Arbeit setzt gute Sprachkenntnisse voraus. Deshalb werden Spracherwerb und Arbeitsmarktpolitik stärker verknüpft. Die berufsbezogene Sprachförderung und die Integrationskurse sollen in ein Gesamtprogramm „Sprache“ überführt werden. Dabei geht es einerseits um eine Erhöhung der Zahl der Sprachkurse und andererseits darum, möglichst früh Sprachkurse anzubieten. Dafür werden die Mittel für Sprachkurse deutlich aufgestockt. Außerdem werden die Integrationskurse für Geduldete und Asylbewerber, bei denen ein dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, geöffnet. Jobcenter können aber auch weiterhin im Rahmen von Eingliederungsleistungen berufsbezogene Sprachförderung als Bestandteil von Maßnahmen anbieten. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Die, die dauerhaft bei uns bleiben werden, wollen wir früh integrieren.
Integration in den Arbeitsmarkt
Zudem werden die Eingliederungstitel der Jobcenter so aufgestockt, dass wir dauerhaft bleibende Flüchtlinge aktiv bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen können. Anerkannte Asylberechtigte werden voll arbeitsberechtigt, erhalten Leistungen der Jobcenter und zählen in der Arbeitslosenstatistik. Die Bevölkerung in Deutschland altert und zukünftig werden vermehrt Fachkräfte gebraucht. Die Flüchtlinge kommen hoch motiviert an und wollen etwas aufbauen. Wir müssen aber auch die Anstrengungen für Menschen verstärken, die schon lange hier leben und Arbeit suchen. Das Mehr an Mitteln für die Jobcenter wird auch hier hilfreich sein. Gemeinsam können wir so weiter ein stabiles Wachstum und ein gutes Leben für alle in unserem Land schaffen. Klar ist auch: Die Schaffung eines prekären Niedriglohnsektors für Flüchtlinge, z. B. durch eine Absenkung des Mindestlohns für Flüchtlinge, wird es nicht geben. Das Modellprojekt „Early Intervention“ wird flächendeckend ausgeweitet. Damit stellen wir sicher, dass Mitarbeiter der Bundesagentur so früh wie möglich in die Einrichtungen gehen und die Berufserfahrungen und Qualifikationen der Flüchtlinge erheben können.
Arbeitsvisa für Menschen aus Westbalkanländern
Gleichzeitig zu den Regelungen hinsichtlich sicherer Herkunftsstaaten wird Bürgern aus dem Westbalkan der legale Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht. Wichtig war uns dabei, den Menschen Wege jenseits des Asylverfahrens zu eröffnen: Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen, seinen Lebensunterhalt und ggf. den seiner Familie selbst - ohne Sozialleistungen - decken kann und in den letzten zwei Jahren nicht als Asylbewerber oder Geduldeter in Deutschland Leistungen bezogen hat, soll mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen.
Erleichterungen des Arbeitsmarktzugangs bei der Leiharbeit
Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete, das bisher in den ersten vier Jahren des Aufenthaltes bestand, entfällt künftig für Hochqualifizierte und in den Ausbildungsberufen, in denen ein Fachkräfteengpass besteht, nach Ablauf der allgemeinen Wartefrist für den Arbeitsmarktzugang von drei Monaten. Für alle anderen nach einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten. Damit wird Flüchtlingen der Arbeitsmarktzugang weiter erleichtert.
Anpassungen im Leistungsrecht
Für vollziehbar Ausreisepflichtige ohne Duldung, bei denen Ausreisetermin und -möglichkeit feststehen, werden die Leistungen eingeschränkt, wenn sie am Tag nach dem Termin noch hier sind. Zudem sieht die Neuregelung begrenzt für den Zeitraum der Unterbringung in der Erstaufnahme vor, dass der notwendige persönliche Bedarf (Kommunikation, ÖPNV, Freizeit/Kultur, Bildung etc.) – soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich –durch Sachleistungen gedeckt werden soll. Ist dies nicht möglich, eröffnet die Regelung den Leistungsbehörden zugleich die Möglichkeit, weiterhin Geldleistungen zu erbringen. Bei einer Folgeunterbringung in Sammelunterkünften können Sachleistungen gewährt werden.
Erleichterungen im Bauplanungsrecht
Durch den innerhalb kurzer Zeit stark steigenden Zuzug von Flüchtlingen ist auch der Bedarf nach Erstaufnahmeeinrichtungen und nachhaltigem und bezahlbarem Wohnraum kurzfristig stark gestiegen und steigt weiter. Nachdem wir bereits im letzten Jahr Erleichterungen im Bauplanungsrecht für Flüchtlingsunterkünfte umgesetzt haben, z.B. im unbeplanten Innenbereich und als Ausnahme in Gewerbegebieten, führen wir nun weitere befristet ein.In sämtlichen baurechtlichen Gebietskategorien – sowohl im Innen- wie im Außenbereich wird die Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften ausgeweitet. In einer Generalklausel wird die Möglichkeit zur Abweichung von den Vorschriften des Baugesetzbuches ebenfalls bis zum 31.12.2019 eingeräumt, sofern die rechtzeitige Bereitstellung dringend benötigter Unterkünfte anderweitig nicht erreicht werden kann. Außerdem wird in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften eine auf drei Jahre befristete generelle Befreiung von der im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz festgeschriebenen Pflicht für Gebäude im Eigentum der öffentlichen Hand, bei grundlegenden Renovierungen erneuerbare Energien zur Wärmeversorgung zu nutzen, eingeräumt. Zudem werden diese Gebäude bis zum 31.12.2018 von aus der Energieeinsparverordnung resultierenden Nachrüstungs- und Bauteilanforderungen im Fall notwendiger Modernisierungen befreit.
Wohnungsbau
Der Bedarf nach neuen, bezahlbaren Wohnungen steigt und wird durch die Flüchtlinge, die mittel- bis längerfristig in Deutschland bleiben, absehbar weiter steigen. Deshalb ist es so wichtig, dass neben den befristeten Maßnahmen, die kurzfristig die Einrichtung und den Bau von Unterkünften beschleunigen sollen, auch dafür gesorgt wird, dass langfristig genügend bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen in Deutschland zu Verfügung steht. Um Wohnungsneubau anzureizen, sieht das Asylpaket vor, dass die den Ländern vom Bund zugewiesenen Kompensationsmittel für den sozialen Wohnungsbau bis 2019 um insgesamt 2 Milliarden Euro erhöht werden. Im Gegenzug haben die Länder zugesagt, die Kompensationsmittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau einsetzen zu wollen. Den Kommunen werden Immobilien und Liegenschaften des Bundes schnell und verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Wir planen mit dem 2. Nachtragshaushaltsgesetz, dass Liegenschaften, soweit und solange diese der Unterbringung von Asylbegehrenden dienen, den Kommunen mietzinsfrei überlassen werden können. Des Weiteren soll die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gegen Nachweis die entstandenen notwendigen und angemessenen Erstinstandsetzungs- und Erschließungskosten erstatten. Diese Maßnahmen sollen durch weitere Anreizinstrumente ergänzt werden, um den Neubau in angespannten Wohnungsmärkten zu fördern.
Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern
Für den Bereich der Gesundheitsversorgung verbessert das Asylpaket die Situation der Asylbewerberinnen und Asylbewerber deutlich und nachhaltig. Konkret werden wir mit dem Paket folgende vier Leistungsbereiche neu regeln bzw. ausweiten: Künftig besteht ein bundesweit einheitlicher Anspruch auf Schutzimpfungen für Asylsuchende. Den Asylbewerbern werden fortan frühzeitig, regelmäßig und aktiv Schutzimpfungen angeboten, um bestehende Impflücken zu schließen und Krankheitsausbrüche in Gemeinschaftsunterkünften zu vermeiden. Mit dieser Maßnahme tragen wir nicht nur zum gesundheitlichen Schutz der Flüchtlinge bei, sondern handeln auch im Interesse der öffentlichen Gesundheit. Die Krankenkassen werden verpflichtet, die Krankenbehandlung zu gewährleisten und entsprechende Rahmenvereinbarungen zu treffen, sofern das von der jeweiligen Landesregierung gewünscht wird. Um den Flüchtlingen einen diskriminierungsfreien und unbürokratischen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen, kann in diesem Zusammenhang die Aushändigung einer elektronischen Gesundheitskarte erfolgen, was wir ausdrücklich begrüßen. Sprachkundige Ärzte unter den Asylbewerbern können künftig die ärztliche Versorgung in Flüchtlingsunterkünften unter strengen Vorgaben unterstützen, sofern die vorhandenen Kapazitäten hierzu nicht ausreichen. Die Ausübung der Tätigkeit ist befristet und ausschließlich auf Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge begrenzt und muss unter Verantwortung eines Arztes erfolgen. Wir nutzen damit die vorhandenen Ressourcen optimal, entlasten die vor Ort tätigen Ärzte und stellen die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber in Flüchtlingsunterkünften sicher. Um die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung von besonders schutzbedürftigen traumatisierten Flüchtlingen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, zu ermöglichen, wird die Zulassungsverordnung der Ärzte hinsichtlich der Ermächtigungsmöglichkeiten geändert. So sollen künftig geeignete Ärzte, Psychotherapeuten und spezielle Einrichtungen, z.B. Traumazentren, die bisher über keine Kassenzulassung verfügten, zur Behandlung der Asylsuchenden ermächtigt werden können.
Diese und weitere Maßnahmen sind wichtige Schritte, um die Aufnahme, gute Unterbringung, Versorgung und Integration von geflohenen Menschen zu gestalten. Die SPD hat sich an vielen Stellen mit ihren Forderungen durchgesetzt und mit den Beschlüssen ihrer Regierungsverantwortung gestellt.