Gestern standen im Plenum ein Antrag der Linkspartei und ein Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Abstimmung, die rechtliche Schritte gegen EU-Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C forderten. Ich habe diese Anträge abgelehnt, allerdings mit der folgenden persönlichen Erklärung:
Erklärung nach §31 GO der Abgeordneten Ulrike Bahr zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Aktiv gegen Subventionen für den Neubau von Atomkraftwerken in der EU“ und den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Subventionen für britisches Atomkraftwerk Hinkley Point C stoppen und rechtliche Schritte einlegen“ (Drucksachen 18/4215, 18/4316), TOP 18 der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 02.07.2015
Wenn Deutschland nicht gegen die Entscheidung der EU-Kommission zur Genehmigung der Beihilfe für Hinkley Point C klagt, ist darin keine Unterstützung von Atomenergie zu sehen. Genauso liegt in der Ablehnung entsprechender Bundestagsanträge keine Abwendung vom notwendigen Atomausstieg vor.
Der Atomausstieg in Deutschland ist für mich unumkehrbar. Mit der SPD setze ich mich sowohl national als auch europäisch und international für den Ausstieg aus der Atomenergie, den Umstieg auf Erneuerbare Energien sowie für mehr Energieeffizienz ein. Der europäische Atomausstieg ist insofern eine politische Aufgabe, die nicht über einen beihilferechtlichen Klageweg auf den EuGH abgewälzt werden kann und sollte.
Im Einzelnen zu den genannten Bundestagsanträgen:
Ende 2014 hat die EU-Kommission die nationalen Beihilfen, die die britische Regierung für Hinkley Point C vorsieht, genehmigt. Mit den genannten Anträgen wird Deutschland aufgefordert, gegen die Entscheidung der EU-Kommission beim EuGH zu klagen.
Die von der britischen Regierung für Hinkley Point C vorgesehene Förderung ist unbestritten eine Beihilfe. Das EU-Beihilferecht gesteht der EU-Kommission über Art. 107 EUV weite Ermessensspielräume für die Genehmigung von Beihilfen zu. Die Beihilfe-Genehmigung der EU-Kommission ist nach Einschätzung der von Seiten der SPD im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 17. Juni 2015 benannten Sachverständigen nicht offenkundig rechtsfehlerhaft. Diese Einschätzung wird auch von der Bundesregierung geteilt.
Eine Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission erhielte insbesondere vor diesem Hintergrund eine politische Dimension, zumal hiermit auf die britische Entscheidung über die Ausgestaltung ihres Energiemixes eingegangen wird. Nach Art. 194 EUV ist es das Recht der Mitgliedstaaten über ihren Energiemix zu entscheiden. Deutschland hat bei der Förderung Erneuerbarer Energien stets – zu Recht – die nationale energiepolitische Entscheidungskompetenz betont. Dieser Maßstab sollte auch für den Umgang mit den Energiepolitiken anderer Mitgliedstaaten gelten. Mit der Beihilfe-Entscheidung zu Hinkley Point C hat die EU-Kommission einen weitergehenden Förderrahmen erlaubt, als sie etwa für Erneuerbare Energien in den (für die Mitgliedsstaaten nicht-verbindlichen) Energie-Beihilfeleitlinien vorgesehen sind. Vor diesem Hintergrund und auch, weil sich die EU gemeinsam auf den Ausbau Erneuerbarer Energien verständigt hat, muss zukünftig erst recht ein breiterer Handlungsspielraum bei der Gestaltung von Fördersystemen für Erneuerbare Energien möglich sein.
Klar ist aber auch, dass es eine europäische Förderung für den Neubau von Atomkraftwerken aus öffentlichen Geldern nicht geben darf. In den Beratungen zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) haben sich zuerst Bundesminister Sigmar Gabriel und dann auch die gesamte Bundesregierung explizit gegen eine Aufnahme der Förderung von Kernkraftwerken ausgesprochen. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie auch im Rahmen weiterer Diskussionen zu den Einzelbausteinen der Energie-Union eine EU-Förderung oder gar einen europäischen Förderrahmen für Kernkraftwerke entschieden ablehnen wird.
Aus diesen Gründen lehne ich die oben angegebenen Anträge ab.
Ulrike Bahr, MdB Berlin, vom 02.07.2015