Am 18. November hatte ich, wie schon seit einigen Jahren, wieder zur einer jährlichen Fachkonferenz Kinder- und Jugendhilfe eingeladen. Rund 90 Expert*innen, hauptsächlich aus Bayern, waren meiner Einladung ins Hotel Diako gefolgt, um über die inklusive Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe zu diskutieren.
Leider ist es mit dem Ende der Ampel-Regierung und den anstehenden Neuwahlen im Februar unwahrscheinlich geworden, dass noch in dieser Wahlperiode das Gesetz zur Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe beschlossen werden kann. Die Frustration deswegen ist hoch, sowohl in den Fachverbänden als auch in der Politik – ganz besonders auch bei mir persönlich. Denn seit Jahrzehnten arbeiten wir alle an der „großen“ oder „Inklusiven“ Lösung, also dem Vorhaben, die Eingliederungshilfe für Kinder mit Behinderungen und die Kinder- und Jugendhilfe miteinander zu verbinden.
Umso mehr habe ich mich gefreut, wie viele Menschen meiner Einladung trotz der aktuellen Situation gefolgt waren. Die Fachkonferenz wurde bereichert durch Redebeiträge von Referent*innen aus ganz Deutschland. Dr. Benjamin Froncek von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik in Dortmund glich die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs mit den Fachdiskussionen der letzten Jahre ab, die er mit seiner Kollegin Ines Röhm im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Gesetzgebungsprozesses aufgearbeitet und zusammengestellt hatte. In der anschließenden Diskussion gab es etliche Befürworter der pragmatischen Lösung des Gesetzentwurfs, mit zwei unterschiedlichen Leistungstatbeständen zu arbeiten und damit faktisch im Jugendamt getrennte Abteilungen für Eingliederungshilfe und Hilfen zur Erziehung aufzubauen. Es gab aber auch Widerspruch und weiterhin den Wunsch, mit einem einheitlichen Leistungstatbestand das inklusive Denken stärker zu befördern. Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt waren die Finanzen: Der Gesetzentwurf, so die Kritik, berücksichtigt die Kosten der Umstellung und die Kosten eines besseren Zugangs zu Leistungen nicht angemessen und lässt die Kommunen damit allein.
Stephan Hiller, Geschäftsführer des katholischen Erziehungshilfeverband BVkE, gab anschließend einen Überblick über das Projekt „Inklusion Jetzt“, mit dem der BVkE und der evangelische Erziehungshilfeverband EREV gemeinsam mit mehr als 60 Einrichtungen Bedingungen und Möglichkeiten inklusiver Kinder- und Jugendhilfe entwickelt und praktisch erprobt haben. Manuela Bierbaum, die in der Diakonie Hochfranken unter anderem den Bereich Kinder- und Jugendhilfe verantwortet, gab danach sehr eindrückliche Praxisbeispiele. Diese Beispiele illustrierten sehr plastisch, weshalb wir eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe brauchen. Sie zeigte aber auch sehr plastisch und optimistisch auf, wie viel gute Kooperation schon mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) von 2021 möglich ist.
Im letzten Teil erläuterten Marie Fingerhut vom Team Inklusion im Bayerischen Landesjugendamt und Thomas Bärthlein in seinem Ehrenamt als Vorsitzender des Vereins Unabhängige Ombudsstelle für die Kinder- und Jugendhilfe in Bayern e.V.. welche Schritte zu mehr Inklusion und Beteiligung Bayern in der Umsetzung des KJSG bereits gegangen ist.
Ausgehend von ihren Referaten kamen wir gut ins Gespräch über Pragmatismus und Innovation im Gesetzentwurf, über Inklusion als Chance für eine zukünftige Kinder- und Jugendhilfe, über Verfahrenslotsen, Ombudsstellen und die gemeinsame Verantwortung von Trägern und Behörden. Ich bin mir sicher, dass die gute Arbeit, die im Beteiligungsprozess für diesen Gesetzentwurf bereits geleistet wurde, nicht umsonst war – und sich dieses Projekt in der nächsten Legislaturperiode positiv weiterentwickeln wird.